Ende Juli, der große Tag der Honigernte ist gekommen. Es ist noch wahnsinnig heiß. Ich wollte eigentlich früh morgens, wenn es noch einigermaßen kühl ist, Polly ihr liebstes rauben. Doch dann ist plötzlich für den nächsten Tag Regen angesagt, weshalb ich mich kurzfristig umentschließe und mich für den späteren Abend vorbereite zu Polly zu fahren.
Ich habe vor ein paar Tagen schon in die Kiste geschaut. Nach einer übermäßigen Honigernte sah es nicht aus. Polly hatte gerade mal die Mittelwand-Dreiecke, die ich ihr gegeben hatte ausgebaut und zu ca. zwei drittel gefüllt. Ich kann aber nicht länger warten. Die Honioernte sollte Ende Juli abgeschlossen sein, denn danach steht die Varroabehandlung an und eine gewisse Zeit benötigt man auch zum auffüttern für den Winter. Außerdem fängt sie jetzt an die wichtigen Winterbienen zu brüten. Dabei will ich Sie nicht mehr stören als notwendig.
Ich ziehe meine Imkerbluse an, weil ich schon damit rechne, dass Polly das nicht gefallen wird und sie die letzten Wochen auch aggressiver gewirkt hat als sonst. Rauch kann ich keinen verwenden, weil es dann sein kann, dass der Honig geräuchert schmeckt. Das möchte keiner. Honig ist was Aromen angeht sowieso sehr aufnahmefreudig. Auch Wasser zieht er schnell, wenn man mal ein Glas zu lange offen lässt. Im schlimmsten Fall fängt er dann an zu gären, was er, wenn er den richtigen, niedrigen Wassergehalt hat, nie macht.
Ich öffne also die Kiste und fange als erstes an, die Waben des Honigraums von den Brutwaben zu trennen. Dann nehme ich einen kleine Dose um eine handvoll Bienen zu sammeln, um die Varroadiagnose mit Puderzucker zu machen. Plötzlich spüre ich einen Stich an meinem linken Knöchel. Ich schaue runter. Eigentlich habe ich mir die Socken über die Hose gezogen. Das stört die Bienen aber nicht. Sie stechen einfach munter durch die Socken durch. Sobald die erste Biene getroffen hat, riechen das die anderen und fliegen genau zu der gleichen Stelle – eine gute Taktik. Ich breche sofort ab und entferne mich erstmal von der Kiste und schlage die Bienentraube um meine Knöchel weg. Sie sind hartnäckig.
Ich mache eine Pause um den ersten Schock zu verkraften. Ich entschließe mich die Varroadiagnose zu verschieben und nur schnell die Honigwaben raus zu holen. Die Stiche schmerzen kaum, aber ich merke wie mein Herz schneller schlägt. Ich wage mich zurück an die Kiste und ziehe zügig die Waben raus, kehre die Bienen ab und lege sie in den Eimer und schließe den Deckel. So geht das Wabe für Wabe. Es sind neun Stück insgesamt. Während dessen merke ich wie erneut ein paar Bienen meinen wunden Punkt entdeckt haben. Ich nehme den Eimer mit den Waben und entferne mich nochmal für eine Pause. So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Als nächstes muss ich mir unbedingt eine Imkerhose besorgen. Ich gehe ein letztes mal zur Kiste um Sie zu schließen und wieder an ihren Platz zu stellen.
Jetzt muss ich mich erstmal setzen. Ich weiß nicht wieviele Stiche ich abbekommen habe. Die nächsten Tage lassen Sie sich dann zählen, wenn sich ein Grind gebildet hat. Es werden über dreißig sein. Ich spüre, dass das Gift meinem Kreislauf zu schaffen macht. Ich ruhe mich eine Weile aus und trinke was. Das war wirklich schwer erkämpfter Honig. Polly ist sehr böse auf mich und nicht mehr so gutmütig, wie ich sie gewohnt war. Vielleicht hat sich die Königin auch mit einem aggressiven Volk aus der Nachbarschaft gepaart? Ich bin gespannt wie es sich entwickeln wird. Die nächsten male werde ich auf jeden Fall nur mit guter Schutzkleidung arbeiten. Wenigstens hat der Eimer mit den Waben doch ein gutes Gewicht.